Gesetzgebung und Regieren


In diesem Bereich des Schwerpunktthemas geht es grundlegend um die Verteilung von Macht im deutschen politischen System, aber auch, wie Macht zwischen der Europäischen Union (bzw. deren Institutionen) und Deutschland (bzw. dessen Institutionen) verteilt ist.

 

Dabei gibt der Bildungsplan folgende Subbereiche vor:

  1. die Pluralismustheorie Fraenkels charakterisieren
  2. den Einfluss von Interessenverbänden auf Parlament und Regierung erörtern
  3. den Einfluss der Medien auf Gesetzgebung und Regieren erläutern
  4. die Bedeutung der Exekutive für die Gesetzgebung erläutern
  5. die Mitwirkung des Bundesrats an der Gesetzgebung erläutern
  6. die Europäisierung der Gesetzgebung erläutern
  7. die Entscheidungsfindung im föderalen System Deutschlands mit der Vielzahl an Mitregenten und Vetospielern bewerten

Die dabei verwendeten Operatoren sind vor allem aus dem Anforderungsbereich II. Es geht also um eine Reorganisations- und Transferleistung. Bei "erörtern" und "bewerten" befinden wir uns allerdings logischerweise im AF III, also bei einer Reflexion und Bewertung.

 

Es ergibt aber zunächst Sinn, die Begriffe "Macht" und "Gewaltenteilung bzw. -verschränkung" genauer zu beleuchten. Außerdem müssen wir uns zumindest kurz über den Unterschied zwischen einem Föderal- und einem Zentralstaat unterhalten. Das haben wir nämlich noch nirgends so richtig behandelt. Damit können wir dann den Subbereich 7 dann auch gleich abhaken. Den Subbereich 3 (Medien) haben wir EIGENTLICH auch schon erledigt - nämlich bei "Medien und Teilhabe". Damit ihr den Einfluss der Medien aber erläutern (!) könnt, lohnt es sich, eventuell ein paar Beispiele zu recherchieren. Das mache ich aber nicht für euch, das schafft ihr schon selbst.


Vorüberlegung I: Der Gesetzgebungsprozess

Wir gehen jetzt aber nicht noch einmal den Gesetzgebungsprozess durch. Den solltet ihr aus Klasse 9 bzw. 10 noch draufhaben.

 

Äh ja. Eigentlich schon.

 

Eigentlich?

 

Das ist immerhin schon eine Weile her und wir müssen uns immer so viel merken... Latein- und Englisch-Vokabeln, Bio, Physik, und und und...

 

Schon verstanden. Also... ich mein's Ernst, ich kau den mit euch nicht durch. Den findet ihr nämich auf der Seite des Bundestags. Und zwar genau HIER.  Und wer das Ganze lieber als erklärtes Schaubild hat, der kann sich direkt hier drunter die Datei herunterladen. Das ist der Überblick, den der Bundesrat veröffentlicht hat.

 

Ok. Danke.

 

Moment. Ein paar Dinge müssen wir vielleicht aber doch kurz klären. Zunächst etwas, was euch vielleicht überraschen wird. Im Grundgesetz steht nämlich in Artikel 70, Abs.1, dass eigentlich die Länder für die Gesetzgebung zuständig sind, es sei denn, das GG sagt etwas anderes.

 

Oha. Also sind die Bundesländer die, die am meisten Macht haben?

 

Zumindest nach dem Wunsch der Mütter und Väter des Grundgesetzes: ja. Allerdings ist es inzwischen so, dass der Bund die meisten Gesetze erlässt. Warum?

 

Ähm, weil... weil... weil er wichtiger ist?

 

Nein. Schon mal was vom Subsidiaritätsprinzip gehört?

 

Ja.

 

Und was bedeutet das?

 

Kein Plan.

 

... Das Subsidiaritätsprinzip sagt aus, dass Entscheidungen immer erst dann auf der nächsthöheren politischen Ebene getroffen werden sollten, wenn es Sinn ergibt. Also: Die Entscheidung über einen Kreisverkehr in Calw oder Sindelfingen sollte vor Ort und nicht im Bundestag getroffen werden. Ob aber eine Landesstraße gebaut wird, sollte das Land entscheiden, weil eine einzelne Kommune diese Entscheidung nicht sinnvollerweise treffen kann. Die Landesverteidigung wiederum sollte keine Aufgabe des Landes Baden-Württemberg sein, sondern sinnvollerweise die des Bundes. Verstanden?

 

Ja, jetzt schon. Und weil heutzutage viele Gesetze Entscheidungen betreffen, die für ganz Deutschland wichtig sind, wird das meiste im Bundestag entschieden.

 

Genau. Allerdings gibt es da - und auch das müsste euch bekannt sein - die sogenannte "ausschließliche" (Art.71,73 GG) und die "konkurrierende" (Art.72,74 GG) Gesetzgebung. Das steht zwar alles in den Übersichten drin, ist aber wirklich wichtig, deswegen nochmal hier: "Im Bereich ausschließlicher Zuständigkeit, etwa für die Außen- und Verteidigungspolitik, für den Luftverkehr oder das Waffenrecht, dürfen die Länder keine Gesetze erlassen, es sei denn, sie werden dazu ausdrücklich vom Bund ermächtigt. Auf Gebieten der konkurrierenden Gesetzgebung dürfen die Länder Gesetze verabschieden, soweit der Bund nicht selbst aktiv wird. Diese Regelung gilt zum Beispiel für das Strafrecht, das Vereinsrecht, das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht von Ausländern, das Arbeitsrecht oder die Abfallwirtschaft und Fortpflanzungsmedizin." (Quelle)

 

Download
Der Gesetzgebungsprozess als Schaubild
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Vorüberlegung II: Operator "Erläutern"

Normalerweise werden die Operatoren immer in den Einführungspräsentationen auf den folgenden Unterseiten erklärt. Da es sich bei diesem Bereich aber fast ausschließlich um den Operator "erläutern" handelt, vespere ich diesen gleich hier nochmal ab:

 

Dabei ist gemeint: Sachverhalte mit Beispielen oder Belegen veranschaulichen. Es geht also über das reine Erklären eines Sachverhaltes hinaus und man MUSS Beispiele (oder seltener Belege) finden. Wenn man das nicht macht, verfehlt man die Aufgabenstellung. Das kann ich nicht stark genug betonen: Ohne Beispiele verfehlt ihr die Aufgabenstellung!

 

Es wurde übrigens angekündigt (oder eher angedroht...), dass es "erläutere"-Aufgaben auch als "ausgehend von einer Karikatur" oder ähnlichem geben kann. Da müsstet ihr die Karikatur jedoch nur in ihrer Hauptaussage analysieren (also nicht die vollständige Karikaturenanalyse durchführen) und dann davon ausgehend den Sachverhalt mit eigenen Beispielen erläutern. Wollen wir hoffen, dass das nicht im Abi drankommt. Geschweige denn sowas wie "erläutern Sie anhand von der Karikatur M1"...

 


Vorüberlegung III: Macht und Gewaltenteilung



So. Irgendwelche Fragen?

 

Ähm nein, eigentlich alles klar. Aber warum hört sich das dann nach einer Fangfrage an?

 

Weil es natürlich eine ist. Eigentlich müsstet ihr Fragen haben. Oder zumindest eine...

 

Hmmm. Also mal sehen. Abhängigkeits- oder Überlegenheitsverhältnisse....ohne Zustimmung... gegen den Willen... trotz Widerstand... das hört sich irgedwie nicht arg demokratisch an. Oder zumindest nicht sehr freiheitlich. Das klingt sogar sehr danach, dass Macht eigentlich in einem freiheitlichen Staat nicht existieren sollte, oder?

 

Falsch. Aber auf dem richtigen Weg. Macht darf bzw. muss in einem demokratisch-freiheitlichen Staat sehr wohl existieren. Aber...

 

Aber sie muss eingeschränkt sein!

 

Richtig. Und dafür gibt es eine ganze Reihe unterschiedlicher Möglichkeiten.

 

Stopp, nichts sagen. Wir haben schließlich aufgepasst, als Sie uns das mit den verschiedenen Herrschaftssystemen erklärt haben. Regelmäßige Wahlen sind in einer Demokratie also Machteinschränkung, weil sie Macht immer nur auf Zeit vergeben, stimmt's?

 

Ganz genau. Dazu kommen  verschiedene andere Prinzipien, die ebenfalls Macht einschränken sollen. Das bekannteste ist die Gewaltenteilung, die es sowohl vertikal, als auch horizontal gibt, das System der "Checks and Balances" und natürlich Öffentlichkeit/Transparenz...

 

Für die vor allem die Medien zuständig sind. Aber Moment.... vertikale Gewaltenteilung? Horizontale? Checks and Balances? Ist das nicht alles das Selbe?

 

Nein. Aber ähnlich. Fangen wir mit Gewaltenteilung an. Das ist ein sehr altes Prinzip. Erinnert ihr euch an John Locke?

 

Ja. Den haben wir bei den Vertragstheorien schon behandelt.

 

Genau. Locke, aber vor allem Charles-Louis de Secondat, Baron von Montesquieu haben die Gewaltenteilung als Staatsprinzip entwickelt. In seinem Werk Vom Geist der Gesetze (1748) führt Montesquieu die grundlegende Trennung in gesetzgebende Gewalt (Legislative), vollziehende Gewalt (Exekutive) und richterliche Gewalt (Judikative) ein. Durch diese Trennung soll Macht aufgeteilt und damit eingeschränkt werden. Denn wenn man nicht die ganze Macht hat...

 

... kann man auch kein Alleinherrscher werden. Ergibt Sinn. Aber was ist dann horizontale und vertikale Gewaltenteilung?

 

Na bitte... da kommt ihr doch sicherlich selber drauf. Was bedeutete denn "horizontal" und "vertikal"?

 

Ähm. Auf die Seite und nach unten oder so? Ahhhhhhhhhhhhhhh! Horizontale Gewaltenteilung ist auf einer Ebene des politischen Systems. Also zum Beispiel BUNDEStag, BUNDESregierung und BUNDESverfassungsgericht. Vertikale Gewaltenteilung ist dann auf verschiedenen Ebenen des politischen Systems. Also BUNDESregierung und LANDESregierung?

 

Bingo. Gar nicht so schwer, oder? Und das gibt is in dieser Tiefe natürlich nur in einem föderalen System. Also in einem Land, in dem die politische Macht nicht nur auf der nationalen Ebene konzentriert ist (Zentralstaat - z.B. Frankreich), sondern politische Organisationseinheiten unterhalb der nationalen Ebene mit eigener politischer Macht vorhanden sind (Bundesstaat/Föderalstaat - z.B. Deutschland).

 

Jetzt können wir glänzen: Das ist im Grundgesetz festgeschrieben. Und zwar in Artikel 20, Abs. 1!

 

Sehr gut! Und jetzt gibt's doch noch eine Frage von mir, um eure Hirnaktivitäten in ungeahnte Höhen schießen zu lassen: Ist dann die Aufteilung von Macht auf Bundestag und Bundesrat eine vertikale oder eine horizontale Gewaltenteilung?

 

... Oh Mann... Das könnte... also einerseits... aber andererseits...

 

Vielleicht diskutiert ihr das mal mit euerer Lehrkraft, hm?

 

Ok. Wir haben aber auch schon mal was von einer Gewaltenverschränkung gehört. Was ist denn das?

 

Das ist eine deutsche Spezialität. Da das Bundesjustizministerium das gut erklärt, zitiere ich hier einfach mal: "In der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist die Teilung der Gewalten nicht als absolute Trennung umgesetzt. Die drei Zweige der Staatsgewalt sind vielmehr aufeinander bezogen, miteinander verschränkt und kontrollieren sich gegenseitig. Beispielsweise werden die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts jeweils zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt (Artikel 94 des Grundgesetzes). Der Gesetzgeber kann die Bundesregierung, eine Bundesministerin oder einen Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigen, Rechtsverordnungen zu erlassen (Artikel 80 Absatz 1 des Grundgesetzes) und ihnen damit im Einzelfall legislative Funktionen übertragen. Die Bundesregierung kann Gesetzesvorlagen in den Deutschen Bundestag einbringen (Artikel 76 des Grundgesetzes) und ist damit in das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren eingebunden."

 

OK. Verstanden. Aber jetzt zu Checks and Balances.

 

Right. Checks and Balances. Das ist auch eine Aufteilung von Macht. ABER das Ziel ist ein anderes. Hierbei soll die Möglichkeit gegeben werden, dass eine Gegenmacht innerhalb des politischen Systems gebildet werden kann. Es geht also um den Ausgleich von Interessen und von MachtPOTENTIALEN, die erst entstehen könnten. Und weil die USA das Vorzeigeland hierfür sind, gibt's dazu ne Übersichtsgrafik:



Und als letzter Punkt hierzu: Der Bildungsplan möchte ja von euch, dass ihr den Entscheidungsprozess in diesem recht komplexen System mit vielen Veto-Spielern bewertet. Er bezieht sich dabei aber auf das deutsche (!) System, nicht auf das amerikanische. Also ist hier vor allem die vertikale und horizontale Gewaltenteilung entscheidend.

 

Bei der Bewertung ist wie immer wichtig, dass ihr eure Bewertungsmaßstäbe offenlegt. Be diesem Thema bietet es sich an, mit folgenden Kriterien zu arbeiten: Legitimität, Effizienz, Gerechtigkeit (nicht vergessen zu definieren, welche Art der Gerechtigkeit ihr meint. Wahrscheinlich "Teilhabe"-Gerechtigkeit), Stabilität,...