Die Pluralismustheorie nach Fraenkel


Das hier ist Ernst Fraenkel (Courtesy of Leo Baeck Institute New York). Er wäre 2023 stolze 125 Jahre alt geworden.

 

Der ist ja fast so alt wie Sie... und auch die Frisur...

 

Ruhe. Unnötige Kommentare werden hier sofort bestraft. Aufgabe lösen: Was bedeutet a priori und a posteriori?

 

Warum sind Sie gleich so? Das war doch nur ein harmloser Witz. Und Sie kommen gleich mit Aufgaben und komischem Kauderwelsch daher...

 

Weil ihr gemein zu mir seid. Und weil das hier keine Stand Up Comedy Bühne ist.

 

Ach, aber wenn Sie blöde Witze machen, dann...

 

MEINE WITZE SIND NICHT BLÖD!

 

Schon gut, schon gut. Alter, rasten Sie doch nicht gleich.

 

ICH BIN NICHT ALT! ICH BIN REIF!

 

Okokokokokokokokokok.... wir nehmen alles zurück. Was ist jetzt mit diesem a pesto und a pastrami oder so?

 

A priori und a posteriori....

 

ja gut, auch das. Was heißt das? Wir hatten kein Latein... oder haben es vergessen...

 

Also.... a priori heißt "von vornherein" und a posteriori heißt "im Nachhinein".

 

Ah. Also sowas wie Input und Output bei Scharpf, Habermas und Schumpeter?

 

Gute Idee. Aber nicht wirklich, auch, wenn es da Gemeinsamkeiten gibt. Aber Fraenkel geht es nicht darum, die Demokratie an sich zu legitimieren. Diese setzt er voraus. Es geht ihm eher um die beste UMSETZUNG von Demokrate. Hierbei geht er zunächst einmal davon aus, dass Politik in einer Demokratie dem "Gemeinwohl" verschrieben ist. Im Gegensatz aber zu z.B. Rousseau sagt er, dass dieses Gemeinwohl (also, was das Beste für die Gesellschaft ist) nicht von vorneherein feststeht - also nicht a priori - sondern erst das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses verschiedener Interessen und Interessensgruppen in einer Gesellschaft ist.

 

Also a posteriori? Aber ist das nicht das Gleiche wie bei Habermas? Also mit der Aushandlung und so?

 

Hmmm nicht ganz. Es stimmt, dieser Aushandlungsprozess spielt bei Habermas auch eine Rolle. Aber bei ihm geht es grundsätzlich um die Legitimität des Systems Demokratie DURCH diesen Aushandlungsprozess. Bei Fraenkel geht es eher darum, dass durch diesen Aushandlungsprozess am Ende ein Kompromiss herauskommt, der das Gemeinwohl widerspiegelt.

 

Halt, halt, halt! Wir haben einen Geistesblitz!

 

Jetzt bin ich aber gespannt. 

 

Das ist wie bei Hannah Ahrendt! Die haben wir bei den Grundlagen kennengelernt! Und da geht es um einen Aushandlungsprozess gleicher/gleichgestellter Menschen in einem öffentlichen Raum! Ha! Wir sind so gut!

 

Ich bin ehrlich gesagt wirklich beeindruckt. Das ist in der Tat ähnlich. Aber Fraenkel geht davon aus, dass der Aushandlungsprozess der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Interessen durch Repräsentanten ausgeführt wird. Dabei nennt er vor allem Parteien, aber auch Verbände und die Medien.

 

Äh. Also eine Elitendemokratie wie bei Schumpeter?

 

Nein. Denn es soll gerade nicht um Einzelinteressen gehen, sondern um den Zusammenschluss von in der Gesellschaft vorhandenen Interessen. Eine solche pluralistische Demokratie setzt also zwangsläufig ein Mehrparteiensystem und eine Beteiligung der Bevölkerung voraus. Sonst können diese Aushandlungsprozesse bzw. automatisch auftretenden Konflikte in der Gesellschaft nicht ausgetragen werden.

 

Das hört sich nach sehr viel Streit an und wenig Konsens.

Nun, in gewisser Weise schon. Doch Fraenkel weist zu Recht darauf hin, dass nicht alles diesem Austragen von Konflikten unterliegen darf. Er definiert also Rahmenbedingungen. Ersten, dass es einen Grundkonsens in der Gesellschaft über gewisse Normen und Werte geben muss, die unantastbar sind.

 

Wie die Menschenwürde?

 

Ja. Grunsätzlich ein Wertekorsett und "Spielregeln" in der Gesellschaft. Diesen Sektor nennt er "nicht-kontroverser Sektor", im Gegensatz zum "kontroversen Sektor", in dem Streitfragen in der Gesellschaft ausgehandelt werden.

 

Das ergibt ja auch Sinn. Das ist wie in einem Spiel. Wenn man sich nicht über die Spielregeln einig ist, kann man auch nicht spielen.

 

So sieht's aus. Und zweitens muss der Staat, laut Fraenkel, sicherstellen, dass alle Partikularinteressen die gleichen Möglichkeiten haben, dass also "Waffengleichheit" besteht. Das bedeutet, dass dem Minderheitenschutz eine besondere Bedeutung zukommt.

 

Weil die Minderheiten von vorneherein - a priori .... sehen Sie, wir passen auf! - weniger Macht in einer Demokratie haben.

 

Ihr seid so schlau. Was soll ich euch noch beibringen? Ihr könnt sogar Latein. Dafür gibt's jetzt zur Belohnung ein Video, das das ganze nochmal zusammenfasst. Außerdem empfehle ich euch diesen Artikel des Demokratiezentrums Wien, das auch auf Kritik an Fraenkel eingeht. Hier könnt ihr das Ganze auch nochmal im Staatslexikon online nachlesen. Und unterhalb des Videos geht es dann nochmal mit einem kleinen aktuellen Exkurs weiter.

 

Alles klar, Alter.

 

ICH BIN NICHT ALT!!!!


Exkurs: Wie vor allem rechte Parteien dieses System angreifen

Aber wenn ihr das jetzt verstanden habt, dann beantwortet mir folgende Frage: Was hat diese Theorie mit rechten und extrem linken Parteien zu tun?

 

Ähm.... nix?

 

Wie man ohne Ahnung sowohl Recht haben, als auch völlig danebenliegen kann.... ich bin beeindruckt. Es hat sowohl nichts, als auch alles damit zu tun. Was nehmen denn vor allem rechte Parteien für sich in Anspruch, wenn sie von "wir" reden?

 

Dass sie den Willen des Volkes repräsentieren.

 

Genau. Aber tun das nicht alle Parteien?

 

Schon.... dann vielleicht eher den Volkswillen? Also den Willen des gesamten Volkes?

 

Und was ist das gesamte Volk?

 

Ahhhh die Volksgemeinschaft, richtig? Also die Vorstellung, dass es ein homogenes Volk mit einem Willen gibt.

 

Ja. Deswegen ist eine pluralistische Gesellschaft, wie sie Fraenkel definiert und als Grundlage einer gut funktionierenden Demokratie vorstellt, das absolute Feindbild von rechten und extrem linken Parteien. Denn das würde bedeuten, dass man ein Gemeinwohl nicht von vorneherein definieren kann. Und damit heißt das auch, dass in ein Gemeinwohl durch den Aushandlungsprozess die Interessen von Minderheiten einfließen kann. Eventuell sogar von Minderheiten, die rechte Parteien nicht als Teil des "Volkes" sehen. Und genau deswegen verwenden solche politischen Kräfte das Wort "Kompromiss" als politisches Schimpfwort. Dabei ist es die Grundlage einer pluralistischen Demokratie. Versucht jetzt mal einen Moment lang, Machtpolitik zu betreiben und als Faschist eine pluralistische Demokratie anzugreifen. Wie würdet ihr das tun?

 

Hmmmm. Also zunächst mal natürlich Parteien oder Politiker, die solche Kompromisse vertreten, Verräter am Volkswillen nennen. Und sie dafür kritisieren, Dinge zu tun, die einzelnen Gruppen helfen, aber nichts fürs Volk zu tun. 

 

Sehr gut. Und dann? Um das ganze System zum Einsturz zu bringen, welchen Kompromiss müsstet ihr aufkündigen?

 

Den über die Grundlagen? Also Menschenrechte und so?

 

Ja. Und jetzt schaut euch nochmal an, was auf TikTok und den anderen sozialen Medien im Moment passiert und wer genau solche Erzählungen verbreitet...

 

Oh...