Vergleich neuerer Demokratietheorien

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Abgrenzung zu den Vertragstheorien

Zunächst ergibt es Sinn, die "neueren" Demokratietheorien von den "älteren" Vertragstheorien abzugrenzen. Der große Unterschied zwischen den Vertragstheoretikern und den oben stehenden drei Herren ist der zentrale Fokus ihrer Überlegungen.

 

Bei Hobbes, Locke und Rousseau (und im Übrigen auch bei Rawls - nur hier im Hinblick auf Gerechtigkeit) geht es um politische Herrschaft an sich. Also: Was ist die Legitimation politischer Herrschaft? Warum muss überhaupt jemand herrschen? Und wie viel Macht darf, oder muss der oder die Herrschend/e/n haben? Und da gehen die Meinungen weit auseinander. Hobbes plädiert für den übermächtigen Staat, der alles kontrolliert, Locke für einen eher schlanken Staat, der vor allem die Rechtsprechung übernimmt und ansonsten Freiheit garantiert und Rousseau unterwirft das Individuum komplett dem Gemeinwohl. Das sind spannende Grundsatzdiskussionen, aber für Schumpeter, Habermas und Scharpf ziemlich ohne Belang.

 

Und warum lernen wir das dann?

 

Weil es wichtig ist, um grundsätzlich zu verstehen, warum es Staaten und Gesellschaften gibt... nur dann könnt ihr wirklich darüber diskutieren. Ihr könnt auch kein Haus bauen, wenn ihr keine Ahnung von Statik habt.

 

Ok, ok. Also... was ist also der spezielle Fokus der drei neueren Theoretiker?

 

Diesen dreien geht es speziell um die Legitimation der Demokratie als Herrschaftsform. Was ist also die Rechtfertigung dafür, dass das Volk herrscht? Wobei... so ganz sauber ist die Frage nicht formuliert. Weil EIGENTLICH geht es allen dreien durchaus auch (und vielleicht vor allem) um die Frage der Legitimität (= dem Vertrauen der Beherrschten in die Legitimation von Herrschaft). Denn was ist grundsätzlich die Legitimation der Demokratie?

 

Ähm.... die Beteiligung des Volkes?

 

Genau. Das ist aber bei Demokratien implizit. Es kommt also erstens darauf an, WIE das Volk beteiligt wird und zweitens kommt es darauf an, ob das Herrschaftssystem die Bevölkerung überzeugen kann, dass es SINNVOLL ist.

 

Also, ob was dabei rauskommt, das den Menschen gefällt?

 

Unter anderen. Aber fangen wir vorne an. Bei dem, was reinkommt...


Das ist Joseph Schumpeter. Und ich verbitte mir jetzt Witze über Ähnlichkeiten bei Frisuren...

 

Hmpf... dabei wäre das...

 

Ruhe. Konzentriert euch auf den Inhalt. Schumpeters Demokratietheorie ist ausgesprochen minimalistisch und von der Ökonomie inspiriert. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass er österreichischer Nationalökonom war. Folgt man seinen Überlegungen, geht es bei der Demokratie hauptsächlich um die Auswahl einer "politischen Elite", die anstelle des Volkes Entscheidungen trifft.

 

Ist das dann nicht eine Entmündigung des Volkes?

 

Ja und nein. Die politischen Eliten müssen dem Volk ein politisches "Angebot" unterbreiten, dass beim Volk auf Gegenliebe und damit auf Nachfrage stößt, sonst werden sie nicht gewählt. Die verschiedenen politischen Strömungen sind in einem ständigen Wettbewerb um die besten Ideen.

 

Das hört sich wirklich sehr nach Wirtschaft an.

 

Sag ich doch. Wettbewerb als Motor für Innovation und Weiterentwicklung. Daraus spricht aber schon auch ein recht pessimistisches Bild auf die Wählerinnen und Wähler. Ihnen wird nämlich keine weitere Partizipationsmöglichkeit eingeräumt. Sie sind lediglich Konsumenten der Politik, die nur aus Eigeninteresse handeln, irrational und affektgesteuert sind. Aber auch die Politiker kommen nicht gut weg. Sie sind, laut Schumpeter, nur auf Machterwerb und - erhalt aus. 

 

Als Zusammenfassung empfehle ich diese Übersicht und diesen Text.

 

Aber sagten Sie nicht, dass es vor allem um die Legitimität der Herrschaft geht? Ist Machterhalt nicht ein bisschen wenig dafür?

 

Guter Punkt. Für Schumpeter nicht. Er argumentiert, dass die grundlegende Legitimation der Demokratie die Wahl bzw. auch die Abwahl von Politikereliten ist. Das bedeutet, er konzentriert sich auf den Input in das politische System. Wer durch Volkes Wille gewählt wird, hat also genau deswegen eine hohe Legitimität.

 

Gibt's dazu nicht auch ein...

 

Jaja, gibt's natürlich auch. Siehe unten.

 

(Die Videos auf dieser Seite sind alles Schüler*innenbeiträge des Sankt Jakobus-Gymnasium Abtsgmünd.)

(Bildquelle: By Image available for free publishing from the Volkswirtschaftliches Institut, Universität Freiburg, Freiburg im Breisgau, Germany. Copyrighted free use. - http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mises,hayek,shumpe.jpg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17120276)


Das ist Jürgen Habermas. Habermas gehört zu den bedeutendsten Philosophen der Gegenwart. Sein Hauptaugenmerk liegt auf der Kommunikation von Menschen und so ist es nicht verwunderlich, dass er auch bei der Legitimation bzw. Legitimität der Demokratie den Diskurs ins Zentrum rückt. Er spricht hierbei von einer deliberativen Demokratie.

 

Einer was?

 

Einer deliberativen Demokratie. Deliberativ bedeutet so viel wie "erwägen", oder aber auch "sich entschließen".

 

Aha. Und wer soll was erwägen oder sich entschließen was zu tun?

 

Nun, eigentlich vor allem zwischen den Bürgerinnen und Bürgern. Es soll dabei eine möglichst breite, öffentliche Debatte über ein spezielles Thema geben, bei der am Ende ein Ergebnis herauskommt, das die Mehrheit als optimale Lösung (oder zumindest als die "beste" Lösung) betrachtet. Das wird dann von den Politikern umgesetzt oder wenigstens in ihre Überlegungen miteinbezogen.

 

Also geht Habermas davon aus, dass das Volk nicht dumm und egoistisch ist, so wie Schumpeter, sondern schon was auf dem Kasten hat, oder? Das heißt aber auch, dass man sich von besseren Argumenten überzeugen lassen können muss, wenn das funktionieren soll, richtig?

 

Ja. Das unterscheidet ihn von Schumpeter. Habermas sagt, dass es für die Legitimität des politischen Systems wichtig ist, dass nicht nur die Entscheider demokratisch legitimiert sind, sondern, dass es auch eine demokratische Legitimation durch einen Diskurs bei der EntscheidungsFINDUNG gibt. Mann nennt das dann Throughput-Legitimation.

 

Also Input bei Schumpeter und Throughput bei Habermas?

 

Richtig. Was fehlt?

 

Ähm.... Output?

 

Genau. Und darum geht es bei dem letzten der drei Philosophen, Herrn Scharpf. Aber vorher gibt's auch hier zwei Literaturempfehlungen und ein Video zur Zusammenfassung. Dieser Artikel fasst Habermas Demokratietheorie schön zusammen und in diesem Beitrag für den Spiegel geht es um die Anwendung der Theorie auf die Sozialen Medien (sehr lesenswert).

(Bildquelle: Európa Pont, CC BY 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/2.0>, via Wikimedia Commons)

 


So, nun also zum letzten der drei Philosophen. Das ist Fritz Scharpf. ihm haben wir die heute gängige Unterscheidung zwischen Input und Output-Legitimation zu verdanken.

 

Na dann: Vielen Dank! Und was bedeutet das nun genau?

 

Input hatten wir ja schon weiter oben, aber vielleicht ergibt es trotzdem Sinn, wenn wir Scharpf hier einfach selbst zu Wort kommen lassen. Denn ganz das Gleiche wie bei Schumpeter ist der "Input" bei Scharpf nicht.

 

(Bild Credits: MPIfG/Thekla Ehling)

 

Sie meinen, wir dürfen ein Video...

 

Nein. Das meine ich nicht. Zumindest noch nicht. Erst gibt's ein Zitat von ihm: "Die input-orientierte Perspektive betont die "Herrschaft durch das Volk". Politische Entscheidungen sind legitim, wenn und weil sie den "Willen des Volkes widerspiegeln" - das heißt, wenn sie von den authentischen Präferenzen der Mitglieder einer Gemeinschaft abgeleitet werden können. Im Unterschied dazu stellt die output-orientierte Perspektive den Aspekt der "Herrschaft für das Volk" in den Vordergrund. Danach sind politische Entscheidungen legitim, wenn und weil sie auf wirksame Weise das allgemeine Wohl im jeweiligen Gemeinwesen fördern."

 

OK. Jetzt ein Video?

 

Erst, wenn ihr mir folgende Frage beantworten könnt: Warum ist diese Unterscheidung zwischen Input und Output Legitimation so wichtig für die Legitimität des politischen Systems?

 

Ähh... nun... weil...

 

Weil es ansonsten zu einer Art despotischen Demokratie kommt, also einer ungerechten, nicht legitimierten. Scharpf argumentiert, dass es bei der Input-Legitimation zwei Argumentations- bzw. Begründungsstränge gebe. Erstens die Partizipation der Beherrschten. Diese "Herrschaft durch das Volk" funktioniere immer da, wo das Volk und dessen Vertreter eng beieinander und die Alternativen so überschaubar seien, dass der "Volkeswille" leicht ableitbar und umsetzbar sei. Je weiter "entfernt" jedoch die Vertreter, desto schwieriger gestalte sich die Partizipation.

 

Also zum Beispiel auf der Kommunalebene kann das funktionieren, auf der Bundesebene aber nicht?

 

Ja. So die Argumentation Scharpfs. Dazu kommt der zweite Punkt: Der Konsens. Was passiert, wenn sich nicht alle Betroffenen bzw. Beherrschten auf eine Lösung einigen können?

 

Dann wird abgestimmt und die Mehrheit entscheidet.

 

Genau. Aber das spiegelt dann ganz offensichtlich nicht den Willen des gesamten Volkes wider, oder?

 

Hmmm, stimmt.

 

Also wie kann man dann diese "Herrschaft der Mehrheit" rechtfertigen?

 

Na, indem man sagt, dass die Mehrheit schon nichts Falsches machen wird und man eben als Minderheit versuchen muss, die Mehrheit zu überzeugen.

 

So kann man argumentieren. Dazu gehört etwas, dass Scharpf eine "kollektive Identität" nennt. Wenn wir alle zusammengehören, dann kann man Mehrheitsentscheidungen akzeptieren, denn dann bringt man für das "Ganze" eben ein Opfer.

 

Aber das klingt schon ziemlich vertrauensseelig. Was denn, wenn die Mehrheit der Minderheit was Böses will?

 

Das ist das Kernproblem inputorientierter Legitimation, folgt man Scharpf. Deswegen spielt die Output-Seite eine wichtige Rolle. Hierbei geht es um die Herrschaft FÜR das Volk. Wenn also das Ergebnis der Entscheidungen für das Volk gut ist und die Probleme löst, dann gewinnt das System und die Herrschenden Legitimität.

 

Hmmm. Aber auch das kann ja zu einer Diktatur der Mehrheit führen, oder? Wer entscheidet denn, was für eine Entscheidung für "das Volk" gut ist?

 

Guter Punkt. Das kann man wirklich kritisieren. In der Realität sind - gerade in Demokratien - beide Legitimationsformen deswegen auch überlappend. Wenn sowohl die Input- als auch die Output-Legitimation stimm, dann ist die Legitimität der Herrschaft ziemlich hoch. So, und jetzt gibt's doch noch ein Video.