zu erledigen bis:          40. Kalenderwoche


A. Was ist Politik?

  1. Wenn man von Politik redet, kommen einem als erstes meistens Politiker in den Sinn. Und deren Reden. Schau dir also als Einstimmung zunächst einmal Loriots satirische Bundestagsrede an (M1). Nur anschauen. Nichts herausarbeiten. Aber vielleicht muss ja der eine oder andere wenigstens schmunzeln... ;) (und ja, das ist aus den 70-Jahren. Aber trotzdem noch aktuell)
  2. Erläutere anhand von jeweils einem Beispiel die vier Elemente des in M2 vorgestellten Politikbegriffs.
  3. Vergleiche die Unterscheidung zwischen politics, polity und policy der Unterscheidung zwischen Politik und Politischem (M3).
  4. Beurteile, welche der beiden Unterscheidungen bei welchen politischen Fragestellungen besser zur Analyse geeignet ist.

B. Demokratie und die Grundlagen unseres politischen Systems

  1. Erstelle eine Liste mit mindestens sechs Nachteilen demokratischer Entscheidungen.

  2. Arbeite die Argumente des Autors, weshalb die Demokratie die beste Herrschaftsform ist, aus M4 heraus.

  3. Vergleiche die Argumente mit deiner Liste und bewerte, ob der Autor ein überzeugendes Plädoyer für die Demokratie hält.

  4. Bearbeite Aufgaben 1 und 2 auf Seite 273 und Aufgabe 1 und 2 auf Seite 373 in Politik im Fokus (das dicke Buch).

 


M1: Loritot: Bundestagsrede


M2: Der Begriff "Politik"

 

Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt schreibt in seinem Standardwerk "Einführung in die Politikwissenschaft" über den Begriff Politik folgendes:

"Eine (...) umfassende, zugleich aber klare, auch von der Alltagssprache her verständliche und immer mehr zum politikwissenschaftlichen Gemeinbesitz werdende Definition von Politik lautet: Politik ist jenes menschliche Handeln, das auf die Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regelungen und Entscheidungen (...) in und zwischen Gruppen von Menschen abzielt. (...)

Schon hinter dem ersten Element des vorgestellten Politikbegriffs, nämlich der Aussage, Politik sei menschliches Handeln, verbergen sich sehr wichtige und folgenreiche Sachverhalte:

Menschliches Handeln ist von Normen, Interessen, Wertvorstellungen und Weltanschauungen geprägt."

 

(Anmerkung meinerseits: Diese Feststellung sollte euch an ein gewisses, vor allem in kälteren Gewässern schwimmendes, Ding erinnern....)

 

Patzelt fährt fort mit folgender Feststellung: "Weil Berechnung und Taktik ebenso wie Gefühle und Irrationales das menschliche Handeln prägen können, sind auch diese psychischen Voraussetzungen im oben eingeführten Politikbegriff enthalten. 

Menschen beziehen ihre Handlungen auf die Handlungen anderer Menschen. Man macht beispielsweise seine Wahlentscheidung abhängig davon, was man über das Verhalten von Parteien und ihren Kandidaten erfahren hat (...), und man taktiert bei einer Diskussion je nach den Einlassungen und Argumentationen der anderen Debattenteilnehmer recht unterschiedlich. In all dem wird deutlich: Sowohl mit dem Handeln eines Anderen als auch mit dem eigenen Handeln verbindet man Sinn (...)."

 

Patzelt argumentiert, dass dieses gegenseitige Handeln - Max Weber folgend - als "soziales Handeln" bezeichnet werden kann. Daraus folgert er, dass "jenes soziale Handeln, das auf die Herstellung allgemeiner Verbindlichkeit abzielt, wird "politisches Handeln" genannt. (...) Das (...) Handeln zielt nun immer wieder ab auf (...) die Herstellung und Durchsetzung von allgemein verbindlichen Regelungen bzw. Entscheidungen in und zwischen diese Gruppen. (...) Diesem zweiten Element des Politikbegriffs liegt [folgender] Gedankengang zugrunde: Wo Menschen zusammenleben, muss unter ihnen immer wieder Klarheit über die Regeln geschaffen werden, die für sie gelten sollen. Dies wird auf den Begriff gebracht, dass Politik auf die Herstellung allgemeiner Verbindlichkeit zielt. Allgemeine Verbindlichkeit wird konkret in verpflichtenden Entscheidungen sowie in Regeln, an die sich jeder Handlungspartner zu halten hat (...). Diese Regeln können informell sein wie Tischsitten oder formal wie Gesetze. (...) Sie können auf Dauer gelten oder lediglich die allgemein verbindliche Behandlung eines Einzelfall betreffen; und ihre Einhaltung kann mit Strafdrohungen unterschiedlichster Art und Schwere gesichert werden.

Es leuchtet ein, dass der Regelungsbedarf einer Gesellschaft mit ihrer zunehmenden Komplexität (...) ansteigt. (...) Politik [ist dann] jenes Handeln, das den Bedarf an verbindlichen Regelungen und Entscheidungen zu befriedigen versucht. (...)

Das dritte Element des hier vorgestellten Politikbefriffs besagt: Allgemeine Verbindlichkeit ist ein angestrebtes, kein von vornherein gegebenes Produkt von Politik. Denn der Versuch, allgemein verbindliche Regelungen oder Entscheidungen herbeizuführen, kann gelingen oder scheitern, und natürlich stellen auch vergebliche Versucheder Herstellung allgemeiner Verbindlichkeit politisches Handeln dar. (...)

Das vierte Element dieses Politikbefriffs ergibt sich aus dem bislang Gesagten: die Grundformen von Politik sind überall zu entdecken ("Ubiquität" von Politik). Die Formen und Praktiken, mittles welcher die Herstellung von Verbindlichkeit versucht werden kann, sind nämlich nicht nur im Bereich des öffentlichen Lebens oder des Staates aufzufinden. Vielmehr lässt sich zeigen, dass oft die gleichen Verhaltensweisen und Praktiken benutzt werden, um in einem Fußballverein oder im Kreisverband einer Partei Einfluss zu gewinnen, um in einem Konzern oder in einer Regierung Führung auszuüben oder um Konkurrenten im Wirtschaftsleben bzw. in der Politik auf Abstand zu halten. Der Bereich der Herstellung allgemeiner Verbindlichkeit (bzw. des "Staatslebens") stellt darum nur ein besonderes Anwendungsgebiet von Methoden dar, die überhaupt der Herstellung von Verbindlichkeit dienen. Indem der Politikbefriff so breit gefasst wird, dass er alle derartigen Methoden umgreift, lenkt er die Aufmerksamkeit auch auf die scheinbar "unpolitischen" Aspekte politischen Handelns, zumal auf dessen "private", informelle und alltägliche Seiten."

(alle Zitate aus: Patzelt, Werner J.: Einführung in die Politikwissenschaft, 6.Aufl. Passau 2007, S.22 - 28)

M3: Das Politische und die Politik II

 

Das Politische kommt damit unter zwei Aspekten in den Blick: Einmal als politisches System (...), zum anderen als "das Terrain, in dem sich das Schicksal des Ganzen entscheidet". Die erste Dimension (die Politik) umfasst die Intitutionen des offiziellen Regierungssystems, der Parlamente und der Verwaltungsapparate. Politik wird in diesem Zusammenhang von Rorty als eine "Angelegenheit, bei der man bestrebt ist, einen Ausgleich zwischen im Widerstreit liegenden Interessen herzustellen" beschrieben; hier gehe es um die "kluge Neuanordnung von Vorhandenem", die sich dann ideraler Weise in konkreten Gesetzesvorhaben niederschlägt, durch die der Wille einer politischen Gemeinschaft ihren Ausdruck findet. Die Funktion von Politik besteht für das gesellschaftliche Ganze darin, dass sie "funktional die einzige Quelle von Normierung ist, die den Anspruch auf gesamtgesellschaftliche Geltung behaupten und durchsetzen" kann. (...)

Die zweiten Dimension (das Politische) zielt demgegenüber auf einen umfassenderen Politikbegriff. (...) Politik erhält dadurch einen konstituierenden Charakter für das Soziale; sie ist nicht ein besonderes Feld des Sozialen, sondern allem Sozialen inhärent (=innewohnend).

(Quelle: Dirk Auer: Politisierte Demokratie. Richart Rortys politischer Antiessentialismus, Wiesbaden 2004, S.76f)


und wer die Aufgaben bis hierhin bearbeitet hat, darf sich legendäre Stoiber-Rede anhören. Ein Leckerbissen der politischen Kommunikation....ein Meister seines Faches gar.


So, und weiter geht's.

 

M4: Vorteile der Demokratie

 

Schon seit ihrer Entstehung in der Antike trifft die Demokratie immer wieder auf Kritik und zeitweilig sogar auf Feindschaft. Neben politischer Polemik gibt es auch begründete Kritik, die Probleme benennt, die mit der Demokratie zusammenhängen und von ihr erzeugt werden. Aber das Wissen um sie darf die Maßstäbe der Kritik nicht so weit verschieben, dass der Demokratie keine Chance gegeben wird. Nach wie vor gilt der Ausspruch des englischen Staatsmannes Winston Churchill vom 11. November 1947 bei einer Rede im Unterhaus: „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“ Oder, mit einem Demokratieforscher formuliert, „die zweitbeste Demokratie ist immer noch besser als die beste Nicht-Demokratie". Die Demokratie mag nur als das kleinere Übel angesehen werden, vereint aber andererseits so viele Vorteile auf sich, dass sie als die beste bekannte Herrschaftsform bezeichnet werden kann.

Einer dieser Vorteile ist ihre Lernfähigkeit, die sie in die Lage versetzt, auch große Herausforderungen zu bestehen, Probleme zu bewältigen und dabei ihre Nachteile so zu verarbeiten, dass sie gestärkt aus Krisen hervorgeht. […]

Auch für das so genannte Paradox der Demokratie wurde eine Lösung gefunden. Wird sie als unbegrenzte Mehrheitsherrschaft verstanden, dann hätte diese Mehrheit auch die Möglichkeit, die Demokratie abzuschaffen. Heutige Demokratien errichten Hindernisse der Selbstpreisgabe. Zum einen stößt die schlichte Mehrheitsherrschaft an die Grenzen des Rechtes und der Verfassung, zum anderen versucht die Demokratie schon im Vorfeld, solchen Bestrebungen entgegenzutreten, die eine Abschaffung der Demokratie - sei es mit Gewalt oder auf parlamentarischem Wege - fordern.

Demokratien haben auch gelernt, mit grundlegenden gesellschaftlichen Problemen umzugehen. Sie können besser als nicht-demokratische Systeme zwischen Staat und Gesellschaft vermitteln. Durch Repräsentativität und Responsivität [Rückkopplung des politischen Handelns an die Interessen der von ihnen repräsentierten Menschen] ihrer Institutionen greifen sie Problemlagen aus der Gesellschaft auf und entschärfen sie, indem sie sie zu allgemein verbindlichen Entscheidungen verarbeiten. […]

Die Demokratie ist die einzige Herrschaftsform, die es den Bürgern erlaubt, Regierende zu sanktionieren, ohne das politische System selbst beseitigen zu müssen. Politische Führung kann ausgewechselt werden, weil es in der Demokratie nur Herrschaft auf Zeit gibt. […] Aus einer Minderheit kann eine Mehrheit werden. Transparenz ermöglicht Kontrolle und schützt vor Machtmissbrauch. Konflikte können bewältigt werden, ohne dass die Kontrahenten zu Mitteln der Gewalt greifen müssen. Und vor allem: Nur der Wille der Bürgerinnen und Bürger, artikuliert in Wahlen und Abstimmungen, begründet und legitimiert die Herstellung kollektiv verbindlicher Entscheidungen. Nur die Demokratie bietet den Menschen die Chance, sich umfassend an Willensbildung und Entscheidungsfindung zu beteiligen, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen.
Aus: Hans Vorländer: Demokratie – die beste Herrschaftsform, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Demokratie. Informationen zur politischen Bildung, Bonn: bpb 2004.