zu erledigen bis: Kalenderwoche 47


Hintergrundmaterial (mit möglichen Fragestellungen für die eigenständige Bearbeitung.)

 

A: Parteiendemokratie in der Krise?

  1. Arbeite aus M1 Gründe für die Vertrauenskrise der Parteien heraus.
  2. Erkläre den Begriff "Postdemokratie" in eigenen Worten.
  3. Analysiere, warum sich junge Menschen weniger in Parteien engagieren (M2, M3)
  4. Bewerte, ob es ein Problem für die Demokratie ist, wenn junge Menschen eher zu NGOs wie transparency international gehen, oder sich bei Fridays for Future engagieren, als dass sie in Parteien mitarbeiten (M1, M2)

 

B: Medien in der Demokratie

  1. Bewerte folgende Aussage des Alt-Kanzlers Gerhard Schröder: „Zum Regieren brauche ich nur Bild, Bams (Bild am Sonntag) und Glotze.“

M1: Parteien in der Krise


Münchner Symposium über Zukunft der Demokratie

In München diskutierten Wissenschaftler die Zukunft der Demokratie. Diese sei weniger in der Krise als die politischen Parteien. Schwindende Akzeptanz und Wahlbeteiligung sowie die wachsende Macht Brüssels stellen ein Problem dar. Eine Lösung sehen die Wissenschaftler in stärkerer Bürgerbeteiligung.

Von Peter Leusch

 

Vor drei Wochen erklärte der Sozialpsychologe Harald Welzer im Spiegel, dass er im Herbst nicht wählen gehen werde. Seine Brandrede gipfelt in dem Argument, dass es nichts zu wählen und nichts zu entscheiden gebe, weil die Politik der Parteien sich nicht mehr unterscheide. Die Politiker und Politikerinnen seien "die Letzten, die mit der Parteizugehörigkeit politische und damit inhaltliche Unterschiedlichkeit verbinden." Welzer diagnostiziert einen Zustand, den Wissenschaftler als "Postdemokratie" bezeichnen - erläutert der Politologe Gary Schaal von der Hamburger Hochschule der Bundeswehr:

"Postdemokratie ist ein Zustand, in dem die formalen Institutionen der Demokratie zwar noch existieren, aber nicht mehr wirklich mit Inhalt gefüllt werden, also mit anderen Worten: Die Wähler und Wählerinnen sind nicht mehr wirklich diejenigen, die demokratische Politik bestimmen."[...]


Wenn man die letzten 15 Jahre Revue passieren lässt, so Welzer, begegnet man merkwürdigen Verkehrungen im alten Rechts-Linksschema: wo Schröders rot-grüne Regierung die neoliberale Politik vorantrieb, die Märkte entfesselte und die Hartz-4-Gesetze mit ihren harten Einschnitten ins soziale Netz beschloss - etwas, was man viel eher von einer CDU/FDP-Koalition erwartet hätte, die wiederum besorgten nach Fukushima die energiepolitische Wende, ein Kernprojekt der Grünen. Michael Reder:

"Ich habe vor fünf Jahren Studierende gebeten, die Parteiprogramme auf ihre Konzepte sozialer Gerechtigkeit hin zu untersuchen, und die Studierenden haben im Seminar ein Ratespiel gemacht, kurze Zitate vorgelegt und in 60 bis 70 Prozent der Fälle war nicht mehr zuordenbar, zu welcher Partei das Verständnis sozialer Gerechtigkeit gehört, das ist problematisch für die Demokratie. Wir brauchen eine klare Abgrenzung der Positionen, wir brauchen mehr politischen Streit, und Streit bedeutet auch den Gegner als einen Gegner anzuerkennen, als eine andere politische Meinung, und dieser Streit ist der Motor der Demokratie, damit erhöhen wir die Bindung an die Demokratie und können auch an den vermeintlich Rädern der Gesellschaft die Repräsentation und Partizipation erhöhen."

Die Bürger fühlen sich von Politikern nicht wirklich repräsentiert, sie argwöhnen, dass diese mehr ihren eigenen Interessen, fremden Lobbygruppen und vor allem dem Machtkalkül ihrer Partei folgen, nicht aber dem Wunsch und Willen derjenigen, die sie als ihre Vertreter - als Volksvertreter - in die Parlamente gewählt haben. Das Misstrauen gilt jedoch, wie Umfragen belegen, keineswegs allen rechtsstaatlichen Institutionen der Demokratie und den Behörden: Das Bundesverfassungsgericht etwa, Gerichte überhaupt und auch die Polizei genießen ein recht hohes Ansehen, schlechte Noten erhalten dagegen Bundesregierung und Bundestag, wenn es um Vertrauen geht, und die Berufsgruppe der Politiker landet hier auf demselben Niveau wie Gebrauchtwagenhändler und Immobilienmakler.
Das Misstrauen gegenüber Politikern gilt zugleich ihrer Partei. Was wir antreffen ist im Kern keine Politik- sondern eine Parteienverdrossenheit, erklärt Wolfgang Merkel von der Berliner Humboldt-Universität. [...]

In den Augen von Wolfgang Merkel ist dies ein Alarmzeichen und zugleich ein Hinweis darauf, - so seine Prognose, dass die große Zeit der Parteien mit dem 20. Jahrhundert zu Ende gegangen sei. Das zeigt sich auch bei der Mitgliederentwicklung.

"Im 21. Jahrhundert werden sie nicht mehr diese Rolle spielen, sie werden keine Mitgliederparteien mehr sein, das haben wir in den letzten 20, 30 Jahren gesehen. Ein Mitgliederschwund ohnegleichen, wenn sie etwa die SPD nehmen Anfang 1990iger-Jahre eine Million, heute halbiert, Ähnliches gilt für die Volkspartei CDU/CSU, sie haben einen Mitgliederschwund, die Leute wollen sich nicht mehr beteiligen, junge Leute schon gar nicht, die gehen zu transparency international, die gehen zu Human Rights Watch, zu Amnesty, zu ökologischen Organisationen, und dort sind sie engagiert, das heißt, die wirklichen kreativen politischen Potenziale bei den jungen Leuten werden an den Parteien vorbei kanalisiert zu den sogenannten Nichtregierungsorganisationen, das ist ein Problem für die repräsentative Demokratie."[...]

"Es hat sich durchaus schon etwas ändert, wenn wir sehen, dass wir von einem doch ganz stark repräsentativ angelegten System auf der Bundesebene kommen, das wir nach wie vor haben, dass aber trotzdem die Nachfrage vonseiten der Bevölkerung nach mehr direktem demokratischen Einwirken da ist, dass mehr Interesse dann auch besteht, sich z. B. auf der lokalen oder regionalen Ebene direkt einzumischen und sich eben dort nicht mit Repräsentation zu begnügen."

Die Menschen in Deutschland wollen eine stärkere Bürgerbeteiligung, mit Volks- und Bürgerentscheiden, wie sie es zum Beispiel in der Schweiz seit Langem gibt, aber auch neue Mitwirkungsmöglichkeiten, wie sie das Internet bietet. [...]

Gegenwärtig drohen der Demokratie [aber] Einschränkungen anderer Art. Seit Beginn der Schuldenkrise hat die Stunde der Exekutive geschlagen. Die Regierungsspitzen der Euro-Länder, Angela Merkel und ihre Kollegen, zusammen mit den Chefs der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank, des Weltwährungsfonds betreiben eine Politik des Krisenmanagements und der schnellen Entscheidungen in nicht öffentlicher Runde, - dabei droht die Legislative mit ihrem demokratischen Auftrag - breite Willensbildung und Diskussion vor jeder Entscheidung, Kontrolle und Transparenz - auf der Strecke zu bleiben. Angela Merkels Wort von der Alternativlosigkeit dagegen ist Gift für eine Demokratie. Gary Schaal:

"Wenn man sich anschaut, wie Angela Merkel ihre Politik begründet, dann ist es immer Sachzwang, Alternativlosigkeit, eine Rhetorik, die sie von Margret Thatcher aus den 80er-Jahren geerbt hat, damals hieß es noch 'there is no alternative'. In dem Moment, wo man von Alternativlosigkeit spricht, hat man tatsächlich die Politik aus der Politik vertrieben, denn Politik besteht darin, dass man Alternativen hat, zwischen denen letztendlich die Bevölkerung entscheiden muss."[...]


Die Demokratie, so ein Fazit der Tagung, steckt nicht in der Krise, aber es gibt klar benennbare Problemfelder und Herausforderungen: als Erstes die Krise der Parteien, dann die mangelnde Partizipation der unteren Schichten, die Forderungen nach stärkerer Bürgerbeteiligung und mehr direkter Demokratie. Ferner die wachsende Macht Brüssels, die nicht ausreichend demokratisch legitimiert ist, und schließlich die unkontrollierte Einflussnahme multinationaler Konzerne.

(Quelle: http://www.deutschlandfunk.de/parteien-in-der-krise.1148.de.html?dram:article_id=250536 20.06.2013)


 M2: Politiker dringend gesucht

 

24.06.2014 (der Text ist also älter, allerdings in seiner Essenz nach wie vor hochaktuell)

Der Mitgliederschwund der CDU geht nicht nur die CDU etwas an. Wenn die großen Parteien massiv an Rückhalt verlieren, bröckelt die Substanz des demokratischen Prozesses. Doch Modernität lässt sich nicht verordnen.

Ein Kommentar von Nico Fried, Berlin

 

Natürlich erfüllt die Reform der CDU jedes Klischee für hilflosen Aktionismus. Natürlich richtet Generalsekretär Peter Tauber nun Kommissionen ein, auf die gefahrlos die alte Weisheit gedichtet werden kann: Wenn einer nicht mehr weiter weiß, gründet er 'nen Arbeitskreis. Und natürlich ahnt jeder politisch Interessierte, dass sich Modernität generell schwerlich verordnen lässt, dies aber in einer konservativen Partei wie der CDU besonders schwierig sein dürfte.

Das Problem ist nur: Der Mitgliederschwund einer Volkspartei wie der CDU geht nicht nur die CDU an. So wie der Schwund der SPD nicht nur die SPD angeht. Dass die einstigen Riesen in der Parteienwelt verzwergen, stellt den gesetzlichen Auftrag von Parteien infrage, vor allem den der Rekrutierung von Personal.

Die großen Parteien haben manches dafür getan, dass ihr Niedergang auch Schadenfreude hervorruft. Aber man sollte nicht übersehen, dass hier die Substanz des demokratischen Prozesses bröckelt. Mehr partizipative Demokratie jenseits von Parlamenten und Parteien mag wünschenswert sein. Doch Volksabstimmungen allein machen noch keine Politik. Dazu braucht es auch künftig Politiker. Die Partizipation vor allem auch in den Parteien zu stärken, erscheint deshalb als das richtige Rezept, bei dem man allen etablierten Parteien nur Erfolg wünschen kann; auch denen, deren politische Ziele man nicht teilt.

(Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/volksparteien-in-der-krise-politiker-dringend-gesucht-1.2011974)


M3: Parteiennachwuchs in der Krise